Bausteine fürs Stundengebet

Eine Hore kann man wie ein Stück Architektur betrachten: Sie besteht aus einer Reihe von Bausteinen, die sinnig und schön gefügt sind. Hier geht es um diese Bausteine. Dazu zählen:
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Psalmen. Diese Lieder aus dem Alten Testament bilden das Herzstück des Stundengebets. Die ältesten Psalmen sind wahrscheinlich bereits vor dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert entstanden; sie sind unter dem Namen Buch der Preisungen bis heute das Gebetbuch gläubiger Juden und - als Teil des Alten Testaments - der Christen. Das Wort Psalm ist griechischen Ursprungs und bezeichnet ein mit einem Zupfinstrument ("Psalterium") begleitetes Lied. In der Regel werden die Psalmen in Lob- und Dankpsalmen, Psalmen des Gottvertrauens, Klage- und Trauerpsalmen, Bußpsalmen, Morgen- und Abendpsalmen, Schöpfungspsalmen, Wallfahrtspsalmen und Fluchpsalmen unterschieden.
Der Psalm ... ist Segen für das Volk, Lob Gottes, Preislied des Volkes, Beifall aller, Wort der Gesamtheit, Stimme der Kirche, lautes Bekenntnis des Glaubens, volle Ergebung in den allerhöchsten Willen, Erlösungsglück, Jubelruf, Jauchzen der Freude (St. Ambrosius: Enarrationes in Psalmos I,9).
Das Gebet der Psalmen wird in der Regel mit dem Lobpreis Gloria Patri ... Sicut erat ... beendet.
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Cantica. Cantica (Einzahl: Canticum, dt. "Lied") sind weitere hymnische Gebetstexte, den Psalmen sehr ähnlich, aber anderen Büchern der Heiligen Schrift entnommen. 
Im Diurnale finden sich drei bedeutende Cantica aus dem Neuen Testament: 1. Der Lobgesang des Zacharias (Benedictus - Lk 1, 68-79) als Höhepunkt der Laudes. 2. Der Lobgesang der heiligen Jungfrau und Gottesmutter Maria (Magnificat - Lk 1, 46-55) als Höhepunkt der Vesper. 3. Der Lobgesang des Simeon (Nunc dimittis - Lk 2, 29-32) gegen Ende der Komplet.
In den Laudes wird überdies an Stelle eines vierten Psalms stets ein Canticum aus dem Alten Testament gesungen.
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Hymnen. Hymnen sind sozusagen die "Kirchenlieder" der alten Kirche. Mit wenigen Ausnahmen (rund um Ostern und am Allerseelentag) weist jede Hore im Diurnale einen Hymnus auf. Im Gegensatz zu deutschen Gepflogenheiten zeichnen sich lateinische Hymnen nicht durch Endreime aus; vielmehr liegt die Poesie dieser Gesänge in der Kunst, die Worte mit ihren verschiedenen Silbenlängen in ein gleichmäßiges Metrum zu bringen. Als Faustformel mag "Rhythmus statt Reim" gelten. Das Diurnale verzichtet bei der Verdeutschung um einer möglichst wörtlichen Übertragung willen auf dichterische Nachschöpfungen.
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Antiphonen. Diese Leitverse (wörtlich: "Gegenstimmen") rahmen die Psalmen ein und werden vor und nach einem Psalm oder einen Canticum einmal vollständig gebetet. Häufig ist in ihnen eine Art Leitgedanke enthalten, der unmittelbar dem Psalm entnommen ist oder diesem nahe steht. In Festoffizien feiern Antiphonen vor allem das jeweilige Festgeheimnis in vielfältigen Variationen.
Manchmal kommt es vor, daß als Antiphon der erste Vers des nachfolgenden Psalms verwendet wird. In diesem Fall wird dieser Vers übersprungen - ein in den Text eingedrucktes Kreuzsymbol zeigt als Gedankenstütze an, ab welcher Stelle der Psalm gebetet wird (vgl. den ersten Psalm der zweiten Sonntagsvesper, Seite 108 P).
Capitulum und Lectio brevis. Unter beiden Namen finden sich in den Horen Kurzlesungen aus der Heiligen Schrift. Das Capitulum wird vom Beter (oder den Betenden) immer mit der Antwort Deo gratias beschlossen, die Lectio brevis mit Tu autem, Domine, miserere nobis - Deo gratias.
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Responsorien. An diesen Wechselgesängen wird besonders deutlich, daß das Stundengebet vom Ursprung her als gemeinschaftliches Gebet mit verteilten Rollen gedacht war. Über ein Responsorium verfügen jeweils alle Horen im Diurnale mit Ausnahme der Laudes und der Vesper. Im Vergleich zu den großen Responsorien in den nächtlichen Metten (die nicht im Diurnale enthalten sind) handelt es sich dabei jeweils um ein Responsorium breve (angezeigt als R. br.), einen "kurzen Wechselgesang". Dieses besteht immer aus einem Doppelvers, der einmal vom Kantor vorgetragen und von der Gemeinde wiederholt wird. Danach singt der Kantor einen weiteren Vers, auf den die Gemeinde mit der zweiten Hälfte des Doppelverses antwortet. Der Kantor stimmt darauf das Gloria Patri (ohne Sicut erat!) an, abschließend wiederholt die Gemeinde den ganzen Doppelvers. Auf das Responsorium der Komplet angewendet sieht das ausformuliert so aus (vgl. Seite 122 P):
Kantor: In manus tuas, Domine, * commendo spiritum meum. Alle: In manus tuas, Domine, * Commendo spiritum meum. Kantor: Redemisti nos, Domine, Deus veritatis. Alle: Commendo spiritum meum. Kantor: Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto. Alle: In manus tuas, Domine, * commendo spiritum meum. 
Kantor: In Deine Hände, Herr, * empfehle ich meinen Geist. Alle: In Deine Hände, Herr, * empfehle ich meinen Geist. Kantor: Du hast uns erlöst, Herr, Gott der Wahrheit. Alle: Empfehle ich meinen Geist. Kantor: Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Alle: In Deine Hände, Herr, * empfehle ich meinen Geist.  
Nach diesem Prinzip werden auch alle anderen Responsorien im Diurnale gebetet. Beim privaten Gebet übernimmt der Betende beide Rollen.
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Versikel. Ein Versiculum (dt. "Verslein") ist eine Art "Mini-Wechselgesang", der aus nur zwei Versen besteht, die nacheinander nach dem Modell "Wort und Antwort" gebetet werden. Die (im optimalen Fall verteilten) Rollen werden durch V (für Versiculum) und R (Responsum, dt. "Antwort") angezeigt - vgl. den Versikel (Custodi nos ...) nach dem Responsorium (In manus tuas ...) in der Komplet, Seite 122 P.
Während in der Prim und der Komplet die stets gleichen Versikel gebetet werden, wechseln einige Versikel in den anderen Horen je nach Tag und Fest. Diese wechselnden Versikel stehen in den kleinen Horen Terz, Sext und Non nach dem ebenfalls wechselnden Responsorium, in den Laudes und der Vesper folgen sie auf den Hymnus. (Faustregel: Man nimmt immer jenes Versikel, das nach dem vorgeschriebenen Responsorium oder dem Hymnus angegeben ist).
Keinem Wechsel unterworfen sind Versikel wie V Benedicamus Domino. / R Deo gratias. oder V Domine, exaudi orationem meam. / R Et clamor meus ad te veniat usw.
Übrigens: Wann immer der priesterliche Segensgruß V Dominus vobiscum zu entbieten ist, beten Laien statt dessen V Domine, exaudi orationem meam. / R Et clamor meus ad te veniat.
Oratio. Das Tagesgebet schlägt am deutlichsten eine Brücke zur Liturgie der Heiligen Messe, denn es ist dieser entnommen. Es steht am Ende aller Horen mit Ausnahme der Prim und der Komplet, deren Bausteine nur in sehr geringem Maß veränderlich sind.
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Preces. Die Preces (dt. "Bitten", vgl. Seite 19 P) sind das große Bittgebet der Kirche. Sie werden nur mittwochs und freitags in geprägten Zeiten der Buße verrichtet, wenn auch die Laudes nach der zweiten Ordnung (die sogenannten Bußlaudes) gebetet werden.

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